Marerittet Nightmare – Manche Albträume enden nie
© Neue Pierrot Le Fou

Nightmare – Manche Albträume enden nie

„Nightmare – Manche Albträume enden nie“ // Deutschland-Start: 28. Juni 2024 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Die Mittzwanziger Mona (Eili Harboe) und Robby (Herman Tømmeraas) ziehen in eine neue Wohnung ein. Dabei handelt es sich zwar um ein großes Apartment, aber es hat schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel und muss dringend renoviert werden. Genau das haben Mona und Robby auch vor. Letztendlich ist es aber vor allem Mona, die sich in die Renovierungsarbeiten stürzt, denn ihr Freund muss abends oft lange im Büro bleiben. In der Wohnung gegenüber befindet sich ein seltsames Pärchen mit einem Neugeborenen. Sie streiten sich oft und die Frau starrt immer wieder zu ihnen hinüber. Äußerst bizarre Nachbarn also, die Monas neue Schlafstörungen mit Sicherheit nicht besänftigen.

Denn in der Tat hat sie schon bald nach dem Einzug mit Albträumen und Schlafentzug zu kämpfen. Diese werden mit der Zeit immer schlimmer, und in ihren wachen Traumzuständen scheint sie von einem Dämon heimgesucht zu werden. Robby unterschätzt Monas Gesundheitszustand. Er möchte liebend gerne Vater werden und lässt seiner Freundin damit keine Ruhe – bis diese tatsächlich schwanger wird, es Robby aber verschweigt. Parallel dazu sucht Mona bei dem dubiosen „Traum“-Arzt Aksel (Dennis Storhøi) Hilfe … Kann er sie vor dem Dämon retten, der sie jede Nacht besuchen kommt?

Albtraumdämonen aus Norwegen

Das berühmte Gemälde Nachtmahr (1790–1791) von Johann Heinrich Füssli diente der Drehbuchautorin und Regisseurin Kjersti Helen Rasmussen als Inspiration für ihren Horrorfilm. Auf dem Bild ist eine dunkle Kreatur zu sehen, die auf einer schlafenden Frau sitzt und sie böse angrinst. Die Arme der Frau hängen herab; sie ist dem Dämon, dem Mahr („Mare“), hilflos ausgeliefert. Ähnlich ergeht es auch Mona, die von einem Dämon heimgesucht wird, der die Gestalt ihres Freundes Robby annimmt und sie in der Nacht verführt.

In einem Interview im Mediabook zum Film erklärt Rasmussen, dass auch die nordische Mythologie, in der solche Albtraumdämonen vorkommen, eine weitere Inspiration war. Dieses folkloristische Element kombiniert die Norwegerin mit dem realen Phänomen der Schlafparalyse – einem Zustand, in dem eine Person vorübergehend nicht in der Lage ist, sich zu bewegen oder zu sprechen, während sie aufwacht. Dies kann verständlicherweise beängstigend sein, da die betroffene Person bei vollem Bewusstsein ist, aber ihre Muskeln nicht kontrollieren kann. Wer die Netflix-Serie Spuk in Hill House (2018) von Mike Flanagan gesehen hat, kennt dieses Phänomen gut (Stichwort: Nell).

Rasmussen verbindet Übernatürliches und Realität zu einem gekonnten Stück Horror, das nie zu sehr ins Phantastische abdriftet. Stattdessen werden Monas Schlafparalyse und -störungen auch als Reaktion auf den Umzug und die (un-)gewollte Schwangerschaft dargestellt. Der Dämon kann somit auch als Metapher für Monas psychologische Belastungen gelesen werden, insbesondere da sie ihren Traum, Modedesignerin zu werden, aufgegeben hat, obwohl sie eindeutig das Talent dazu hat. Rasmussen nutzt das Horrorgenre geschickt, um feminines Unwohlsein in der Gesellschaft zu thematisieren. Bei diversen Vorführungen des Films erhielt sie viel Zuspruch von weiblichen Zuschauern, die die Themen der Autonomie des weiblichen Körpers und den Kampf um Kontrolle über das eigene Leben schätzten. Ziel erreicht.

Wenn die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwinden

Der Film spielt nicht nur mit dem Gegensatz Folklore – Schlafparalyse, sondern vor allem auch mit den Grenzen zwischen Realität, Traum und Einbildung. Dazu bietet sich die Geschichte natürlich hervorragend an. Mit klugen Kameratechniken und einem ausgeklügelten Sounddesign (Stichwort: Insekten) gelingt es dem Team rund um Rasmussen tatsächlich, die Zuschauer in ein Labyrinth aus Traum und Wirklichkeit zu schicken, aus dem es kein Entkommen gibt. Bis zum Schluss, ja bis zur letzten dramatischen Szene, ist nicht wirklich eindeutig, ob Mona sich nun in der Realität befindet – oder ob sie doch weiterhin in ihren Albtraumwelten gefangen ist. Das macht der Film gut.

Man muss jedoch anmerken: Niemals erreicht der Film dabei die Traumlandschaften oder -sequenzen eines David Lynch, wie man sie etwa aus Eraserhead (1977), Twin Peaks (1989–91; 2017) oder Mulholland Drive (2001) kennt. Dazu sind die von Rasmussen inszenierten Sequenzen zu steril, vielleicht auch zu uninspiriert. Hier hätte es sich aber durchaus angeboten, kreativer zu sein, vor allem im Hinblick des Aussehens des Dämons. Rasmussens Inszenierungsstil mag einem Lynchfernen Publikum aber durchaus genügen.

Noch ein paar Worte zum Mediabook von Pierrot Le Fou: Wie von der Reihe gewohnt, ist es schön präsentiert, enthält einen Essay über Albträume von Marcel Kober, ein Gespräch mit der Regisseurin sowie ein Poster des Films. Für Sammler ein guter Griff.

Credits

OT: „Marerittet“
Land: Norwegen
Jahr: 2022
Regie: Kjersti Helen Rasmussen
Drehbuch: Kjersti Helen Rasmussen
Musik: Martin Smoge
Kamera: Oskar Dahlsbakken
Besetzung: Eili Harboe, Herman Tømmeraas, Dennis Storhøi

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sitges 2022

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Nightmare – Manche Albträume enden nie
fazit
Fazit: Kjersti Helen Rasmussens „Nightmare – Manche Albträume enden nie“ verwebt geschickt Übernatürliches mit realen Phänomenen wie Schlafparalyse und thematisiert feminines Unwohlsein in der Partnerschaft. Trotz kluger Kameratechniken und einem atmosphärischen Sounddesign bleiben die Albtraumphasen im Film hinter den surrealen Traumlandschaften eines David Lynch zurück.
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