Memoir of a Snail

Memoir of a Snail

Memoir of a Snail

Inhalt / Kritik

Das Leben meinte es nicht immer gut mit Grace Pudel. Inzwischen ist sie in ihren 40ern angekommen und bereit, sich von ihrer umfangreichen Schneckensammlung zu trennen. Zu diesen gehört auch Sylvia, ihr persönlicher Liebling, dem sie zum Abschied ihre Lebensgeschichte erzählt. Da waren ihre Mutter, die schon bei der Geburt von Grace und ihrem Zwillingsbruder Gilbert gestorben ist. Als auch noch ihr Vater, der die letzten Jahre im Rollstuhl saß, früh verstirbt, werden die beiden Geschwister getrennt und wachsen bei Familien am gegenüberliegenden Ende Australiens auf. Und auch sonst wird das Mädchen nicht geschont, regelmäßig macht sie traurige Erfahrungen. Doch dabei findet Grace immer wieder Trost, sei es bei anderen Menschen oder auch der Sammlung …

Rückkehr einer Stop-Motion-Ikone

Immer wieder wird die Stop-Motion-Technik totgesagt. Und doch finden sich jedes Jahr Titel, welche die altehrwürdige Animationsmethode am Leben erhalten. So ist Aardman Animation nach wie vor aktiv, Netflix sei Dank. Zuerst kam Chicken Run: Operation Nugget, dieses Jahr soll ein neuer Wallace & Gromit-Teil folgen. Guillermo Del Toros Pinocchio räumte vergangenes Jahr den Oscar als bester Animationsfilm ab. Marcel the Shell with Shoes On war im gleichen Jahr immerhin nominiert. Nun meldet sich mit Adam Elliot ein weiterer bekannter Regisseur zurück, der diesem Bereich die Treue hält. Viele Jahre hatte man von dem Australier nichts mehr gehört oder gesehen. Umso schöner ist, dass Memoir of a Snail nun da ist und jetzt schon zu den besten Animationsfilmen des aktuellen Jahrgangs gezählt werden darf.

Dabei kann man das Werk kaum als einen Crowdpleaser bezeichnen. Aber das erwartet bei Elliot auch niemand. Schon sein erster Langfilm Mary & Max – oder Schrumpfen Schafe wenn es regnet? konnte einem richtig an die Nieren gehen. Zwar gab es bei der schrägen Geschichte um einen Außenseiter auch Humor, immer mal wieder. Aber eben vor allem ernste Themen. Das ist bei Memoir of a Snail nicht anders. Elliot, der erneut das Drehbuch geschrieben hat, spart nicht mit Skurrilitäten. Ob es der Schneckenfetisch von Grace ist, die etwas eigenwillige Freizeitbeschäftigungen von ihrer Pflegefamilie und vor allem natürlich Pinky, eine sonderbare ältere Frau, die für die Protagonistin zu einer Ersatzfamilie wird: Die Welt des Filmemachers ist mit überzeichneten Leuten bevölkert, die alle ihre Eigenheiten und Macken haben. So richtig normal ist hier praktisch niemand.

Schräg, tieftraurig und lebensbejahend

Die diversen schrägen Einfälle regen zum Schmunzeln an, manchmal gar zum Lachen, und sind ein willkommenes Gegengewicht zu den schrecklichen Ereignissen. Wenn hier Menschen sterben, Familien auseinandergerissen werden, es zu Missbrauch und Gewalt kommt, dann ist das so geballt, dass das schnell zu einer Art Misery Porn hätte werde können. Stattdessen ist Memoir of a Snail ein wunderbarer Film, der zwar zwischendurch schon sehr weh tun kann, man immer wieder Anlass hat einfach drauflos zu heulen. Der aber auch Trost spendet und seinen Figuren und damit dem Publikum Hilfestellung leistet, aus einem Loch herauszufinden, das teils von anderen, teils von einem selbst gegraben wurde. Denn auch das gehört zu der Wahrheit von Grace dazu: Je mehr sie sich verkriecht, als Schutz vor der Welt da draußen, umso mehr macht sie sich selbst zu einer Gefangenen. Die Faszination für Schnecken ist natürlich auch ein Symbol für das, was die Protagonistin tut – und nicht tut.

Der zum Teil biografisch gefärbte Film wird so bei all dem Unglück, das über die Menschen hereinbricht, zu einem lebensbejahenden Werk, das einen die unterschiedlichsten Gefühle durchlaufen lässt. Ein Film, der ganz universelle Themen anspricht, bei denen sich viele wiederfinden können, und zugleich sehr eigenwillig. Für die Optik gilt das sowieso. Das Stop-Motion-Drama, das beim Annecy Filmfestival 2024 Weltpremiere hatte, greift wie schon bei Mary & Max auf unförmige, teils schon eher hässliche Figuren zurück, die aber ihren ganz eigenen Charme haben. Dass hier nichts perfekt ist, Elliot auch auf Spezialeffekte verzichtet, wie man sie bei Aardman oder Laika findet, gehört da einfach dazu. Schließlich erzählt er von Menschen, die selbst nicht perfekt sind und ihren Weg durch eine Welt suchen, die schrecklich und wunderbar ist, einen immer wieder in den Abgrund stürzt, darin aber auch Schätze finden lässt, die das Leben am Ende doch lebenswert machen.

Credits

OT: „Memoir of a Snail“
Land: Australien
Jahr: 2024
Regie: Adam Elliot
Drehbuch: Adam Elliot
Musik: Elena Kats-Chernin
Kamera: Gerald Thompson

Trailer

Filmfeste

Annecy 2024

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Memoir of a Snail
fazit
Wie schon „Mary & Max“ damals ist „Memoir of a Snail“ ein wunderbarer Stop-Motion-Film, der einem zu Herzen geht. Die Mischung aus schrägem Humor und bitteren Erlebnissen lässt einen die unterschiedlichsten Gefühle durchleben, stößt einen in tiefste Abgründe, wo dann unerwartete Schätze auf einen warten.
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