Bruised Netflix
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Bruised

Inhalt / Kritik

Bruised Netflix
„Bruised“ // Deutschland-Start: 24. November 2021 (Netflix)

Jackie Justice (Halle Berry) kann eine stolze MMA-Kampfbilanz von zehn Siegen und null Niederlagen vorweisen – umso unverständlicher also für alle, wieso sie mitten während ihres nächsten Kampfes in der UFC über den Käfig klettert und flieht. Vier Jahre später hält Jackie sich damit über Wasser, die Häuser anderer Leute zu putzen. Als ihr Freund und Manager Desi (Adan Canto) sie zu einer zwielichtigen Untergrundkampverstanstaltung schleppt, sollte sie eigentlich nur zuschauen. Nach dem eigentlichen Kampf forcieren die Organisatoren allerdings einen handgreifliche Auseinandersetzung zwischen ihr und der Siegerin Randi „The Werewolf“ Jones (Gabi Garcia), ein wahres Monstrum. Nach einer wunderschönen Imanari Roll aus dem Bilderbuch und mehreren Kopfnüssen geht Jackie als Gewinnerin hervor. Dadurch wird der Fightpromoter Immaculate (Shamier Anderson) auf sie aufmerksam und bietet ihr an, sie in der reinen Frauen-Liga Invicta FC unter Vertrag zu nehmen – ein Sprungbrett für eine potenzielle Rückkehr zur UFC. Jackie reißt sich zusammen und fängt wieder mit dem Training an, bis ihr gar direkt ein Titelkampf zugesagt wird. Allerdings gerät in der Zwischenzeit ihr Leben außerhalb des Octagons aus den Fugen …

Mehr Drama als MMA-Film

Was für eine Rolle? UFC? Wen das Fachchinesisch abschreckt, dem sei versichert, dass niemand diese oder sonstige exotischen Begriffe kennen muss, um Bruised verstehen zu können. Dennoch lässt es sich kaum vermeiden, diesen Film aus zwei Blickwinkeln zu bewerten. Wenden wir uns zuerst den Eingeweihten zu, alle anderen mögen sich in etwas Geduld üben, es lässt sich sowieso kaum vermeiden, beide Ansichten im weiteren Verlaufe hier zu vermischen: Wer in der Vergangenheit regelmäßig UFC Fight Cards angeschaut hat, wird vor einiger Zeit immer wieder über Werbetrailer für Bruised gestolpert sein. Wer sowohl die UFC verfolgt als auch cineastisch interessiert ist, wird wissen, dass die dort beworbenen Filme nicht unbedingt zu den besten gehören. Allerdings bildete Nobody eine angenehme Ausnahme dieser scheinbaren Regel, in welchem ja auch die ein oder andere Kampfszene vorkam. Da besteht immerhin ein wenig Hoffnung, dass Bruised ebenfalls mit dem bekannten Muster bricht.

Mit den Augen eines MMA-Fans betrachtet ist dieser Film unglaublich seltsam. Erst einmal handelt es sich um einen klassischen Fall von falschem Marketing, in zweierlei Bedeutungen. Den Film UFC-Zuschauern schmackhaft zu machen, erscheint zunächst natürlich als ein richtiger Schritt, aber dann muss das Produkt in dieser Hinsicht auch überzeugen. Wer soll denn die MMA-Aspekte kritisch bewerten, wenn nicht genau diese Zielgruppe, die sich bestens damit auskennt? Zumal Bruised eindeutig als MMA-Film vermarktet wurde, vielleicht nicht unbedingt für die generelle Bevölkerung, aber in den während UFC-Liveübertragungen gezeigten Trailern. Bruised ist halt nur leider kein MMA-Film als solcher, sondern eher ein Drama mit einem Hauch von reingequetschter Romantik – der wahre Kampf für Jackie findet außerhalb des Octagons statt, auf mehreren Ebenen. Mit einer Laufzeit von 132 Minuten ist Bruised zwar kürzer als eine durchschnittliche UFC Main Card, diese ist aber voller Action, während ersterer mit mehreren Subplots überfrachtet ist. Mehr dazu später.

Ein echtes Fachpersonal

Oscarpreisträgerin Halle Berry übernimmt in Bruised nicht nur die Hauptrolle, sondern absolviert gleichsam ihr Regidebüt. Allerdings ist Berry oft im Publikum bei UFC-Events zu sehen, hat kürzlich erst sogar Rose Namajunas im Co-Main-Event von UFC 268 den Championsgürtel umgeschnallt (normalerweise die Aufgabe von UFC-Präsident Dana White und wohl erst das zweite Mal, dass er diesen Job jemand anderem überließ). Fraglos war dieser spezielle Auftritt eher ein Promomove für den Film, aber Berrys aufrichtiges Interesse für den Sport lässt sich über Jahre zurückverfolgen. Hier kommt also nicht einfach ein Außenstehender in eine Welt, die er als profitabel genug ansieht, um einen Film darüber zu machen. Noch mehr Authentizität wird Bruised beschieden durch Auftritte echter Kämpferinnen wie Gabi Garcia, die sich nicht zu schade ist, selbst in diesem Film einen gängigen Witz auf ihre Kosten über sich ergehen zu lassen. Die Endgegnerin wird von UFC Flyweight Champion Valentina Shevchenko verkörpert, der Finalkampf wird vom echten Ringrichter Keith Peterson geleitet.

Es sollte nun gezeigt worden sein, dass hier viele Menschen involviert sind, die Ahnung von der Materie haben. Nachdem diese als mögliche Gründe dafür, wieso der Film hinter allen Erwartungen zurückbleibt, eliminiert wurden, bleibt uns eigentlich nur noch eine Person als Schuldige zu identifizieren: Drehbuchautorin Michelle Rosenfarb – ebenfalls Debütantin. Das Skript ist ziemlich holprig, Rosenfarb versucht zu viel auf einmal reinzupacken, wodurch anderes zu kurz kommt, was wichtiger gewesen wäre. Der Finalkampf, bei dem es ja sogar um einen Titel geht, wird so gut wie überhaupt nicht aufgebaut. Außer dass sie unbesiegt ist, wissen wir nahezu nichts von Shevchenkos Charakter.

Alles nicht wirklich durchdacht

Schon der Beginn von Jackies Rückkehr ins Gym ist völlig übereilt. Wer vier Jahre inaktiv war und zudem nur geraucht und gesoffen hat, wird nicht direkt problemlos ein hartes MMA-Training überstehen können. Selbst am Standard unrealistischer Trainingsmontagen gemessen ist das hier eine unrealische Trainingsmontage. Die eingangs erwähnte Imaniari Roll sollte unter diesen Umständen auch absolut unmöglich sein, ganz besonders gegen einen Baum von Mensch wie Garcia. Die reine Frauen-Liga Invicta FC gibt es wirklich, es ist aber nicht ganz klar, wieso der wahre Name genommen wurde: Die echte Präsidentin durch einen Mann zu ersetzen ist schon merkwürdig genug (aber natürlich im Rahmen der Kunstfreiheit gedeckt, ergibt eben auch nach interner Filmlogik nur wenig Sinn), warum aber sollte Invicta FC mit zwielichtigen Untergrundkämpfen und gefixten Fights in Verbindung gebracht werden, das kann ja kaum förderlich fürs Image sein. Und warum sollte der Präsident einer respektablen Kampforganisation überhaupt mit einem Namen wie Immaculate herumlaufen?

Aber auch wer von MMA nicht die leiseste Ahnung hat, wird wenig Freude an Bruised haben. Die angesprochenen Mängel im Drehbuch beziehen sich ja leider nicht nur auf die MMA-Segmente. Ein Charakter muss nicht mit dramatischen Konflikten von allen Seiten zugeballert werden, um filmisch zu funktionieren. Sei es der nutzlose Freund, der sie natürlich irgendwann auch noch schlagen wird, sei es ihr sechsjähriger Sohn (Danny Boyd Jr.), der aus dem Nichts wieder in ihr Leben tritt, sei es ihre nervige Mutter (Adriane Lenox), sei es die neue Trainerin (Sheila Atim), die aussieht als wäre sie die Zwillingsschwester von UFC Middleweight Champion Israel Adesanya – so gut wie jede Person in Jackies Leben bedeutet irgendeine Art von Drama, womit ihr und den Zuschauern mehr zugemutet wird, als erlaubt sein sollte. Vielleicht wäre das alles trotz vieler Vorhersehbarkeiten noch erträglich gewesen, wenn das Drehbuch besser strukturiert wäre. Die Auflösung etwa, wieso Jackie am Anfang aus dem Käfig geflohen ist, kommt nicht nur viel zu spät, sondern ist auch völliger Käse.

Der Höhepunkt zum Schluss

Der Finalkampf ist fraglos das Highlight von Bruised. Die Kamera ist oft zu nahe am Geschehen, eine leider übliche Eigenart bei MMA-Szenen, mit welcher kaschiert werden soll, dass es sich um eine Choreographie handelt. Diese als solche ist hier aber absolut gelungen, Shevchenko trägt den Kampf, doch Berry kann gut mithalten (was nach John Wick: Kapitel 3 nicht sonderlich überrascht). Peterson, der bedauerlicherweise ohne seinen Spitznamen „No Nonsense“ vorgestellt wird, rundet das Erlebnis ab. Leider war dann wohl kein Budget mehr übrig, auch noch vernünftige Kommentatoren und einen Ringsprecher vor die Kamera zu holen; die drei Darsteller in diesen Rollen können mit der Energie der Sequenz nicht mithalten. Insgesamt ist das Schauspiel allerdings ein weiterer großer Pluspunkt.

Mit der auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnittene Marketingkampagne hoffte Netflix beim Einkauf von Bruised wohl, eine neue Zuschauerschaft erschließen zu können. Ironischerweise wird der Film aber wohl in etwa so viel positives Feedback bekommen wie ein Frauenkampf in den Prelims der UFC. Und dann gibt es in Bezug auf den Film ja noch die Klage der ehemaligen UFC-Kämpferin Cat Zingano gegen Halle Berry … aber das würde hier nun wirklich zu weit führen.

Credits

OT: „Bruised“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Halle Berry
Drehbuch: Michelle Rosenfarb
Musik: Aska Matsuyima
Kamera: Frank G. DeMarco
Besetzung: Halle Berry, Adan Canto, Shamier Anderson, Adriane Lenox, Danny Boyd Jr., Sheila Atim, Valentina Shevchenko

Bilder

Trailer

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„Bruised“ möchte die Geschichte einer MMA-Kämpferin erzählen, die sich sowohl im Octagon als auch im Leben wieder emporkämpft, krankt jedoch vor allem an einem überfrachteten Drehbuch. Während gerade MMA-Fans deutlich mehr an dem Film werden auszusetzen haben, kann er zumindest überwiegend mit den schauspielerischen Performances überzeugen. Wer bis zum Ende durchhält, wird mit einem vergleichsweise grandiosen Finalkampf belohnt, der allerdings, wie alles andere, von einem besseren Aufbau profitiert hätte.
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