Sole
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„Sole“ // Deutschland-Start: 10. Oktober 2021 (MUBI)

Lena (Sandra Drzymalska) ist 22 Jahre alt und schwanger, will aber auf keinen Fall schon Mutter sein. Wer der Vater ist, erfährt man nicht. Ermanno (Claudio Segaluscio) ist etwa im selben Alter wie Lena und kann genauso wie sie ein wenig Geld gut gebrauchen. Also gibt er sich als Vater des Kindes aus, welches nach seiner Geburt von Ermannos Onkel Fabio (Bruno Buzzi) und dessen Frau adoptiert werden soll. Leihmutterschaft ist in Italien verboten; das Kind eines Verwandten zu adoptieren, ist jedoch relativ einfach. Es ist ein reine Zweckgemeinschaft, die Lena und Ermanno so eingehen – sie geben vor, ein Paar zu sein, nur um an ein paar Tausend Euro zu gelangen.

Gleichgültigkeit zu jeder Zeit

Regisseur Carlo Sironi filmt diese intime Geschichte im 4:3-Format und in langen, gedehnten Einstellungen. Oftmals bekommt man dabei in Dialogszenen die Gesprächspartner der Hauptprotagonisten gar nicht zu sehen (bzw. nur deren Hinterkopf). Möglicherweise soll das unterstreichen, wie gleichgültig Ermanno und Lena hier alles ist, dass es ihnen eigentlich egal ist, mit wem sie reden und was es zu besprechen gibt. Die beiden wollen Lenas Schwangerschaft einfach nur hinter sich bringen und an Geld kommen.

Dementsprechend reduziert ist auch das Spiel der zwei Hauptdarsteller. Mit stoischer Mine und minimalem Einsatz von Gesten bewegen sie sich durch den Film, wobei man nicht immer genau sagen kann, inwieweit diese Zurückgenommenheit nun gewollt ist oder ob es hier an schauspielerischen Fähigkeiten bzw. genauen Anweisungen von Seiten der Regie gemangelt hat. Was das Innenleben der Figuren betrifft, hätte man hier noch viel mehr herausarbeiten können. Es wird zwar klar, dass weder Ermanno noch Lena wirklich ein Ziel im Leben haben und einfach so in den Tag hineinleben. Die plötzliche Verantwortung, die Lenas Schwangerschaft mit sich bringt, wollen beide gar nicht übernehmen. Aber die dadurch entstehenden Leerstellen füllt der Film kaum. Das mag so gewollt sein, doch die beiden bleiben dadurch größtenteils unbeschriebene Blätter mit wenig eigenen Träumen, Zielen und Emotionen.

Wenig Freude, keine Antworten

Jedenfalls wird immer wieder deutlich, wie wenig dieses unfreiwillige Paar an allem interessiert ist, was mit der Schwangerschaft und dem Elterndasein zusammenhängt. Das wird bei der Ultraschalluntersuchung deutlich, wo beide kaum einen Blick auf den Monitor werfen wollen oder im Gespräch mit Freunden, die auf ihre Fragen nach Geschlecht und Namen des Babys kaum Antworten erhalten. Dieses Desinteresse überträgt sich leider auch auf die Zuschauer, die genau wie Lena und Ermanno die ganze Sache einfach irgendwann nur noch hinter sich bringen wollen.

Zwar spielt der Film durchaus mit Erwartungen: Wird das unfreiwillige Paar sich vielleicht doch noch annähern? Wird Lena ihr Kind am Ende doch behalten wollen und lieben lernen? Ein konventioneller Weg mit Hollywood-Happy End wird hier allerdings nicht eingeschlagen, was realistisch wirkt und ein leicht unbequemes Gefühl beim Zuschauer zurücklässt. Und überhaupt wird hier niemand zu keinem Zeitpunkt so richtig froh; weder Ermanno und Lena, noch Ermannos Onkel und dessen Frau, die doch eigentlich in freudiger Erwartung auf das neue Baby sein müssten. Die Situation ist für alle Beteiligten anstrengend, was sich eben auch auf den Zuschauer überträgt und einen nach Filmende freud- und ratlos zurücklässt.

Gefühle: zu spät

Gegen Ende des Films gibt es dann doch noch einige Szenen, in denen viele die ganze Zeit über unterdrückte Emotionen an den Augen der Figuren ablesbar sind. Hier brodelt es gewaltig unter der ständig so ruhig wirkenden Oberfläche. Zu diesem Zeitpunkt ist es aber nicht nur für Lena und Ermanno zu spät, noch etwas an der Situation zu ändern. Auch für den Zuschauer kommen diese Andeutungen zu spät; derlei Einblicke in das Seelenleben der Figuren hätte man sich schon früher gewünscht. Das hätte einem die Situation der Hauptfiguren noch nähergebracht und tiefere Einblicke in deren Seelenleben gegeben. So aber muss der Film ein zwar durchaus interessanter Versuch bleiben, genau diese Einblicke zu gewähren, scheitert letztendlich aber auch daran.

Credits

OT: „Sole“
Land: Italien, Polen
Jahr: 2019
Regie: Carlo Sironi
Drehbuch: Antonio Manca, Giulia Moriggi, Carlo Sironi
Kamera: Gergely Pohárnok
Besetzung: Sandra Drzymalska, Claudio Segaluscio, Bruno Buzzi, Barbara Ronchi

Trailer

Filmpreise

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Europäischer Filmpreis 2020 Bester Erstlingsfilm Sieg

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"Sole" nimmt sich viel Zeit, die Unbequemlichkeit der Situation darzustellen, in der sich die beiden Hauptfiguren befinden. Lange, gedehnte Einstellungen und reduziertes Schauspiel genügen letztendlich aber nicht, um dem Zuschauer einen vollständigen Einblick ins Innere der Figuren zu geben. Hier wäre mehr möglich gewesen.
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