Im Jahr des Drachen
© Koch Films

Im Jahr des Drachen

„Year of the Dragon“, USA 1985
Regie: Michael Cimino; Drehbuch: Michael Cimino, Oliver Stone; Musik: David Mansfield
Darsteller: Mickey Rourke, John Lone, Ariane Koizumi, Leonard Termo, Raymond J. Barry

„Im Jahr des Drachen“ erscheint am 26. April 2018 auf DVD und Blu-ray

Die Polizei – dein Freund und Helfer. Auf den hochdekorierten Captain Stanley White (Mickey Rourke) trifft das nicht wirklich zu. Seine Vorurteile gegenüber der asiatischen Bevölkerung in New Yorks Chinatown sind allgegenwärtig. Egal ob Chinese oder Vietnamese, der polnische White verachtet seit seiner Rückkehr aus dem Vietnamkrieg beide Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Nach dem Anschlag auf einen chinesischen Mafiaboss übernimmt ausgerechnet White das Revier, um den anstehenden Bandenkrieg zu verhindern. Nicht weniger brutal in seinen Methoden ist der Nachfolger der chinesischen Triaden – Joey Tai (John Lone). Vor den Medien charismatisch und besonnen, kam er nicht zufällig an die Spitze der Macht. Doch im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist White nicht käuflich und erklärt Tai und den Triaden den Krieg!

Selbst nach seinem filmischen Meisterwerk aber finanziellen Megaflop Heaven’s Gate bleibt sich Regisseur Michael Cimino treu. Auch wenn die Produktionskosten von Im Jahr des Drachen nicht explodierten und die Laufzeit im Rahmen blieb, so folgte auch diesem Film wieder eine große Kontroverse. Wahrscheinlich immer noch gebrandmarkt von seinem letzten Film, ging auch diesmal die zeitgenössische Kritik mit Cimino hart ins Gericht. Fünf Nominierungen für die Goldene Himbeere 1986 waren die Folge. Doch noch schwerwiegender waren diverse Rassismus-Anschuldigungen gegen Cimino. Vor allem die chinesische Bevölkerung New Yorks fühlte sich völlig falsch dargestellt und auf polemische Weise angegriffen. Gepaart mit der durchaus drastischen Gewalt und den zotigen Sprüchen Whites gegenüber Frauen, las man anschließend in den meisten Kritiken die Schlagwörter „rassistisch“, „sexistisch“ und „gewaltverherrlichend“.

Ein großes Missverständnis?
Doch die amerikanischen Kritiker schienen die Charakterisierung der Hauptfigur mit den Absichten des Regisseurs zu verwechseln. Cimino stellt hier nicht seine eigene Ideologie oder die seines Co-Autors Oliver Stone dar, sondern entwirft einen Antihelden. Letztlich stürzt sich der Pole, welcher seine eigenen Wurzeln gegenüber denen seiner neuen Heimat vergisst, mit seinem Handeln selbst ins Verderben. Im Jahr des Drachen ist ein Film, der besonders auf seiner ideologischen Ebene viel Interpretationsspielraum bietet. Wer es sich einfach macht, sieht einen rassistischen Film mit einer rassistischen Hauptfigur. Doch wie lächerlich das eigentlich ist, zeigt schon allein ein Blick auf die vorangegangene Filmografie seines Regisseurs.

Wer sich jedoch von der ideologischen Sichtweise des Films entfernt, bekommt ein auf und ab Ciminos typischer Handschrift. Auf handwerklicher Ebene glänzt eine tolle Ausstattung und eine beeindruckende Kameraarbeit. Dem entgegen stehen Charaktere, die für den Zuschauer durch kleinere dramaturgische Mängel nur wenig greifbar sind. Klar, Mickey Rourkes Figur ist mit all ihren Ecken und Kanten sowieso nicht als Identifikationsfigur geeignet, doch selbst die moralische Instanz in Form der chinesisch-japanischen Reporterin Tracy Tzu (Ariane Koizumi) wird mit zunehmender Spielzeit immer nerviger und damit unsympathischer.

Ausdrucks einer nihilistischen Weltsicht
Am Ende vereint Ciminos Polizeifilm auch die Genres seiner beiden vorangegangenen Filme – den Western und den Kriegsfilm – in sich und deren Cimino-typischen Nihilismus. Und daraus ergibt sich dann auch die Frage nach der eigentlichen Zielgruppe des Films. Für den Zuschauer, der ein differenziertes Bild der New Yorker Triaden bekommen möchte, sind die Charaktere zu klischeebeladen. Und wer nur einen actionreichen Genrehybriden sehen will, für den gibt es zu viel unnötige Zwischenszenen und Handlungskonstrukte. Bleiben nur noch die Fans von Hauptdarsteller und Regisseur. Mickey Rourke spielt der Story angemessen plakativ und expressiv, hatte aber durchaus schon bessere Rollen. Und Cimino bleibt sich in vielen Punkten treu und bedient damit sicherlich die Erwartungen seiner Fans. Aber irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass seine Arbeit nach Heaven’s Gate von zu viel Skepsis und voreingenommener Schwarzmalerei geprägt war – sowohl seitens der Kritiker, der Zuschauer und auch von ihm selbst.



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Von der zeitgenössischen Kritik wurde "Im Jahr des Srachen" als rassistisch, sexistisch und gewaltverherrlichend abgestempelt. Aus heutiger Sicht ist der Polizeifilm mit Motiven des Western und Kriegsfilm das Porträt eines schwer greifbaren und Hollywood-untypischen Vietnam-Veteranen, welcher die dramatischen Ereignisse des Krieges nie richtig verarbeitet hat und nun seine Machtposition nutzt, um dies mit drastischen und fragwürdigen Mitteln nachzuholen.
6
von 10