Little Men
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Little Men

(„Little Men“ directed by Ira Sachs, 2016)

„Little Men“ läuft ab 2. März 2017 im Kino

Große Lust hat er ja eigentlich nicht auf den Umzug. Aber auch keine große Wahl: Als der erfolglose Schauspieler Brian Jardine (Greg Kinnear) und dessen Frau Kathy (Jennifer Ehle) ein Haus in Brooklyn erben, welches Brians verstorbener Vater hinterlassen hat, heißt es für Jake (Theo Taplitz) Koffer packen. Immerhin: Der schüchterne Junge findet in Tony (Michael Barbieri) einen echten Freund, der seine Leidenschaft fürs Künstlerische teilt. Und auch dessen Mutter Leonor (Paulina Garcia) versteht sich gut mit den Jardines. Bis zu dem Zeitpunkt, wo sie aus Geldnot die Miete für Leonors kleine Modeboutique erhöhen wollen und es zum Streit zwischen den beiden Familien kommt – was für die zwei Kinder völlig unverständlich ist.

Dass das Leben aber auch so verdammt kompliziert sein muss! Immer wieder laden uns Filmemacher ein, zusammen mit ihren jugendlichen Protagonisten die Welt zu erkunden, an ihr zu wachsen, sie zu erkennen, am Ende ein Teil von ihr zu werden. In Little Men ist das ganz ähnlich. Auch hier geht es darum, dass Jake und Tony lernen müssen, mit der Situation da draußen klarzukommen. Und sich dessen klarzuwerden, wer sie selbst sind, wer sie selbst sein wollen. Und doch ist das Drama von Regisseur und Co-Autor Ira Sachs ein klein wenig anders, folgt teilweise bekannten Pfaden des Coming-of-Age-Films, um diese aber mit weiteren Themen zu verbinden oder auch anders zu präsentieren.

Der herausstechendste Unterschied ist, dass der Film das Thema des Aufwachsens mit dem der Gentrifizierung verbindet. Dass die Mieten immer teurer werden, zumindest in den Großstädten, das ist hinlänglich bekannt. Dafür braucht es nicht einmal nach Brooklyn zu fahren, das ist hierzulande ganz ähnlich. So teuer, dass sich die Menschen das Leben in der Stadt immer seltener noch leisten können. Oft erleben wir diese Situation aus den Augen des Mieters. Wie sieht es jedoch mit den Vermietern aus? Und es ist an der Stelle, in der Little Men es einem als Zuschauer gar nicht so einfach macht. Brian und Kathy sind nicht die geldgierigen Miethaie, die einfach nur die dicke Kohle machen wollen. Sie sind selbst Opfer der Umstände, können es sich schlicht nicht leisten, Leonor weiter so günstig die Räume zu überlassen. Die wiederum ist nicht der bedingungslose Gutmensch, sondern kann ebenso austeilen – was sie auch tut.

Und inmitten dieser moralischen Ambivalenz, die einen die Sympathien mal in die eine, mal in die andere Richtung schwanken lassen: Jake und Tony. Wenn die Erwachsenen schon keine Lösung finden, man als Zuschauer nicht weiß, was in der Situation zu tun ist, wie soll es dann erst zwei Kindern gehen? Die verstehen dann auch nicht, was hier los ist, wollen es nicht verstehen. Stattdessen: Sie rebellieren. In ihrer kindlichen Unschuld tun sie, was sie können und begreifen, um eine Welt zu ändern. Eine Welt, die jedoch keine Rücksicht darauf nimmt, was zwei Knirpse wollen. Die sich weiterdreht und seine Bewohner zwingt, sich daran anzupassen. Oder zu verlieren.

Bar falschen Wohlfühl-Kitsches verweigert uns Sachs dann auch die einfache Antwort, ein schönes Happy End. Kindliche Träume und harsche Realität gehen hier Hand in Hand, können nicht miteinander, können nicht ohne. Little Men ist dabei jedoch kein Film, der als bloßen Selbstzweck die Finsternis sucht. Hier soll niemand zum Schluchzen gebracht werden. Stattdessen geht das Drama mit einer Mischung aus Distanz und viel Einfühlungsvermögen zur Sache, führt uns vor Augen, was es heißt, Kind zu sein. Und langsam die Kindheit zu verlieren. Immer wieder vermischen sich auf diese Weise rührende und schmerzhafte Momente, Wehmut und mitreißend trotzig gespielte Lebensfreude. Das ist insgesamt unaufgeregt, in typischer Indie-Manier der leise Ausflug in den Alltag der kleinen Leute, welcher in den schönsten Graufarben gemalt wird.



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Teils Coming of Age, teils Vermenschlichung der Gentrifizierung zeigt uns „Little Men“ die komplizierte Welt da draußen aus der Sicht zweier Kinder. Das ist unaufgeregt und nah am Leben, kombiniert warmherzige und schmerzliche Momente auf dem Weg ins moralisch ambivalente Erwachsenenalter.
7
von 10